Samstag, 9. Mai 2015
Freitag, 8. Mai 2015
Besuch im Kriegsmuseum in Minsk
Kurz vor dem 70. Jubiläum des Sieges im Zweiten Weltkrieg erinnert alles in Belarus an das große Ereignis: Straßenplakate, Fernsehspots, Lebensmittelverpackungen, Lottoscheine und sogar Einkaufstüten. Wenn gerade keine Panzer durch "Die Straße der Sieger" (Praspekt Peramoschzau) in Minsk rollen und die große Militärparade üben, wird sie ständig geputzt.

Das neue Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges ist zu einem Mekka für Schüler, Familien, Rentner und russische Touristen geworden. Als ich es besucht habe, ist eine Gruppe von Soldaten hineinmarschiert.

Das Museum wurde letztes Jahr von den Präsidenten Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin persönlich eröffnet. Ein großer Flachbildschirm in der Eingangshalle zeigt die Bilder von der Eröffnung.

Im Museum gibt es viele Flachbildschirme und andere moderne Elemente, wie zum Beispiel die Projektion des Filmes über die Brester Festung.
Mich beeindrucken am meisten die kleinen echten Gegenstände aus dem Krieg. Zum Beispiel eine selbst gemachte Stoffpuppe aus einem Kinderheim. Sie erinnert mich an meine Kindheit. Meine Oma Anja, die auf dem Land lebte und den Krieg als Kind erlebte, machte mir eine ähnliche. Ich mochte sie. Die Puppe hatte zwar kein echtes Gesicht, dafür war sie ganz weich und kuschelig.
Mulmiges Gefühl bekomme ich beim Betrachten der Metalltrage, auf der die Asche der im Ofen verbrannten Menschen auf den Feld in Trostenez getragen wurde. Sie wurde als Düngemittel verwendet.
Trostenez war das größte NS-Lager auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Es liegt am Stadtrand von Minsk.
An der Wand sind Baracken und graue Menschenfiguren gezeichnet. Davor steht ein Gitter. Drüber hängt ein Schild: "Zutritt zum Lager verboten. Es wird ohne Anruf geschossen." Soldaten machen ein Foto vor der Wand.

Das Museum hat 10 Räume. Meine Zeit reicht leider nicht, um alles in Ruhe zu betrachten. Den letzten Raum möchte ich aber unbedingt sehen - der Saal des Sieges. Ich bin überrascht: Es ist eine gläserne Kuppel. Es gibt keine Exponate.
Die Idee des Architekten scheint klar: Den Sieg als etwas Großes, Heiliges, in den Himmel Ragendes darzustellen. Ich fühle mich wie in einer Kirche. Die Staatsfahne anstelle des Altars. An der Wand steht: "Die Heldentat des Volkes soll ewig leben."
Irgendetwas stört mich. Ist es die rote sowjetische Fahne, die draußen auf der Kuppel weht? Ist es der Marmorboden, der kalt und ungemütlich wirkt? Lebe ich zu lange im Westen und verstehe die Ästhetik der Heimat nicht mehr? Oder stört mich, wie unsere Geschichte durch die Staatsideologie instrumentalisiert wird? Ich verlasse das Museum mit gemischten Gefühlen.
P. S. Mein zehnjähriger Neffe war vor kurzem auf der Klassenfahrt im Kriegsmuseum. Die Schüler sind um 6 Uhr morgens von unserer Kleinstadt nach Minsk gefahren. Acht Stunden Busfahrt haben sie auf sich genommen, um das Museum zu sehen. Ich frage ihn, was ihm am meisten gefallen hat. "Panzer", sagt er. Nach ein paar Sekunden: "Doch nicht! Die Mittagspause in McDonald's."

Das neue Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges ist zu einem Mekka für Schüler, Familien, Rentner und russische Touristen geworden. Als ich es besucht habe, ist eine Gruppe von Soldaten hineinmarschiert.

Das Museum wurde letztes Jahr von den Präsidenten Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin persönlich eröffnet. Ein großer Flachbildschirm in der Eingangshalle zeigt die Bilder von der Eröffnung.
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Der Souvenirladen des Museums |
Besonders beliebt bei den Besuchern ist die Halle mit der Kriegstechnik. Viele Familien bleiben hier etwas länger. Kinder spielen Krieg. Mütter machen Selfies vor den Wachsfiguren. Väter erklären ihren Töchtern sowjetische Waffen.

Im Museum gibt es viele Flachbildschirme und andere moderne Elemente, wie zum Beispiel die Projektion des Filmes über die Brester Festung.
Mich beeindrucken am meisten die kleinen echten Gegenstände aus dem Krieg. Zum Beispiel eine selbst gemachte Stoffpuppe aus einem Kinderheim. Sie erinnert mich an meine Kindheit. Meine Oma Anja, die auf dem Land lebte und den Krieg als Kind erlebte, machte mir eine ähnliche. Ich mochte sie. Die Puppe hatte zwar kein echtes Gesicht, dafür war sie ganz weich und kuschelig.
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"Dem tapferen Kämpfer von Tanja" |

Trostenez war das größte NS-Lager auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Es liegt am Stadtrand von Minsk.
An der Wand sind Baracken und graue Menschenfiguren gezeichnet. Davor steht ein Gitter. Drüber hängt ein Schild: "Zutritt zum Lager verboten. Es wird ohne Anruf geschossen." Soldaten machen ein Foto vor der Wand.

Das Museum hat 10 Räume. Meine Zeit reicht leider nicht, um alles in Ruhe zu betrachten. Den letzten Raum möchte ich aber unbedingt sehen - der Saal des Sieges. Ich bin überrascht: Es ist eine gläserne Kuppel. Es gibt keine Exponate.

Irgendetwas stört mich. Ist es die rote sowjetische Fahne, die draußen auf der Kuppel weht? Ist es der Marmorboden, der kalt und ungemütlich wirkt? Lebe ich zu lange im Westen und verstehe die Ästhetik der Heimat nicht mehr? Oder stört mich, wie unsere Geschichte durch die Staatsideologie instrumentalisiert wird? Ich verlasse das Museum mit gemischten Gefühlen.
P. S. Mein zehnjähriger Neffe war vor kurzem auf der Klassenfahrt im Kriegsmuseum. Die Schüler sind um 6 Uhr morgens von unserer Kleinstadt nach Minsk gefahren. Acht Stunden Busfahrt haben sie auf sich genommen, um das Museum zu sehen. Ich frage ihn, was ihm am meisten gefallen hat. "Panzer", sagt er. Nach ein paar Sekunden: "Doch nicht! Die Mittagspause in McDonald's."
Mittwoch, 22. April 2015
Sonntag, 15. Februar 2015
Dienstag, 13. Januar 2015
Zwischen Weihnachtstisch und Wechselstube
"Wechselt bloß kein Geld in einer Wechselstube", ist eine der ersten Phrasen, die wir Ende Dezember nach der Ankunft in Minsk hören. Devisen sind viel zu begehrt, um sie an den Staat abzugeben. Menschen stehen Schlange in den Banken, um US-Dollar oder Euro zu kaufen. Sie sind bewehrte Anker in den Krisenzeiten. Die krisenerprobten Belarussen wissen: Bald geht es abwärts. Die schwächelnde Wirtschaft in Russland wird die von ihr abhängige belarussische Wirtschaft nach sich ziehen.
Autokauf in Russland
Um sein Erspartes nicht zu verlieren, entscheidet sich Andrej (Name geändert), ein Auto zu kaufen. Er hat gehört, dass die PKWs in Russland wegen der Rubel-Abwertung viel günstiger geworden sind als in Belarus. Der Angestellte einer staatlichen Sicherheitsfirma besorgt ein Zugticket und fährt nach Moskau. Dort stellt er fest, dass die im Internet angekündigten Preise in den Autohäusern nicht mehr gelten: Sie wurden wegen der starken Nachfrage aus dem Nachbarland erhöht.
Andrej kauft eine Zeitung und findet dort ein paar interessante Privatanzeigen. Der Verkäufer des fast neuen Peugeot 408 will umgerechnet knapp 12 000 Dollar dafür haben. Die Summe soll in den russischen Rubeln ausgezahlt werden: Im Unterschied zu Belarussen haben die Russen den Glauben an ihre nationale Währung trotz derer Abwertung (noch) nicht verloren.
Während Andrej in der Schlange vor der Wechselstube wartet, geht die Jahrespresskonferenz von Putin im Fernsehen zu Ende. Plötzlich ändern sich die Zahlen auf dem elektronischen Tableau: Der Rubelkurs steigt leicht an. „Ich rechne im Kopf nach, dass ich auf der Stelle um die 500 Dollar verliere“, sagt Andrej. „Hätte Putin bloß ein wenig länger geredet!“ ärgert er sich. Grundsätzlich ist er aber zufrieden, dass er sein Geld gut angelegt hat.
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Der Wechselkurs DLR/EUR um den Jahreswechsel in Belarus. Quelle: tut.by |
Haushaltsgeräte als Investition
Glück hatte auch meine Freundin Alesja. Im Dezember bekommt sie die einmalige Prämie für die Geburt ihres Sohns – umgerechnet ca. 1000 Euro (nach dem Wechselkurs von damals). Die junge Mutter entscheidet sich, das Geld in die Haushaltsgeräte zu investieren. Sie bestellt einen Backofen und eine Spülmaschine in einem Online-Shop. Am nächsten Tag erlebt sie Schock. „Die Preise haben sich verdoppelt!“ Der Bestellvorgang ist zwar bereits abgewickelt, aber das Geld ist noch nicht überwiesen. Alesja ruft im Laden an. Zum Glück bleiben die Konditionen für ihren Kauf unverändert. "Ich habe mich auf die versprochene kostenlose Lieferung verzichtet und bin schnell losgefahren, um meine Geräte abzuholen!" erzählt sie. So wie Alesja kaufen viele Belarussen neue Haushaltsgeräte auf Vorrat: Vor Silvester und Weihnachten sind Regale in den Elektronik-Märkten leer.
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Menschen stehen Schlange vor der Wechselstube in einem Geschäft in Minsk |
Donnerstag, 2. Oktober 2014
Angekommen
Heute vor acht Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. In den ersten Tagen in Dortmund kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Ein U-Bahn-Ticket kostet zehn mal mehr als in St. Petersburg! Das Zimmer im Studentenwohnheim gehört mir alleine! Im Supermarkt ist kein "Brei" zu finden: Was essen denn die Deutschen zum Frühstuck? Waaaas, sonntags sind die Geschäfte ganz geschlossen?
Inzwischen bin ziemlich eingedeutscht. Ich gucke "Tatort" und koche Spargel. Ich werfe den Jogurt-Becher in
die gelbe Tonne weg. In der Bahn setze ich mich nicht zu einem anderen Fahrgast dazu, sondern suche mir einen freien Doppelsitz.
Vor kurzem musste ich meine Integrationsfähigkeit unter Beweis stellen. Ich habe eine Niederlassungserlaubnis beantragt. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen dürfen sie bekommen, wenn sie mindestens zwei Jahre berufstätig sind. Eine Bedingung: Man soll „Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nachweisen. Es wird ja Zeit - nach den knapp acht Jahren in Deutschland...
Ich bin zu einem Gespräch in die Ausländerbehörde eingeladen. Vor dem Termin lasse ich mich von meinen deutschen Freunden in puncto Deutschsein beraten. Der erste Ratschlag lautet: Bei der Begrüßung soll ich dem Sachbearbeiter festen Handschlag geben und mitteilen, dass ich zum Mittag Eisbein mit Sauerkraut gegessen habe. Als nächstes sollte ich übers Wetter meckern. "Meckern, egal über was, ist typisch deutsch“, heißt es. Klingt nicht so schwer.
Bei der Ausländerbehörde ist es wie beim Zahnarzt: Man geht nicht gerne hin. Wer mag es schon, wenn ein Herr Müller, der in der Erzählung "Der Kummer des Beamten Müller" von Rafik Schami treffend beschrieben ist, über sein Schicksal entscheidet? Doch in der Kölner Ausländerbehörde bin ich positiv überrascht. Der Mitarbeiter begrüßt mich freundlich und gibt mir die Hand. „Sie sollen einen Test schreiben, um die Kenntnisse der Lebensverhältnisse in Deutschland nachzuweisen“, sagt er.
Von dieser Prüfung habe ich bereits gehört: Da sind mehr als 300 Fragen und einen Termin bekommt man erst in mehreren Wochen. Ich möchte mir den Aufwand sparen und hole eine dicke Mappe aus der Tasche heraus. Darin sind alle Zeugnisse, Bescheinigungen und Urkunden abgeheftet, die ich in den acht Jahren gesammelt habe. Ich zeige dem Sachbearbeiter das Zeugnis über die Teilnahme an der Vorlesung "Politisches System der BRD", den Schein in "Landeskunde" und Nachweise über mehrere Stipendien. Der Beamte ist unbeeindruckt: "Haben sie Germanistik studiert? Ausnahmen sind aber nur für die Politikwissenschaftler möglich."
Nach einer kurzen Diskussion schickt er mich vor die Tür, um mit seinem Vorgesetzten zu beraten. Dann bietet er mich wieder herein. Er hält meine dicke Mappe in der Hand und schaut mich ernsthaft an, als ob er sagen möchte: „Ich habe heute leider kein Foto für dich.“ Doch dann lächelt er auf einmal und sagt: "Gut, wenn alle sich einig sind und mal auch über das Gesetz hinweg eine Entscheidung treffen."
Das heißt, ich bin ohne die schriftliche Prüfung für integriert genug befunden worden. Ich bekomme eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis! "Aber nur weil Sie Ihre Unterlagen so ordentlich abgeheftet haben!" sagt der Beamte und wünscht mir einen schönen Tag. „Ihnen auch. Trotz des schlimmen Regens“, meckere ich zum Schluss.
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Dortmund, Oktober 2006 |
Vor kurzem musste ich meine Integrationsfähigkeit unter Beweis stellen. Ich habe eine Niederlassungserlaubnis beantragt. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen dürfen sie bekommen, wenn sie mindestens zwei Jahre berufstätig sind. Eine Bedingung: Man soll „Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nachweisen. Es wird ja Zeit - nach den knapp acht Jahren in Deutschland...
Ich bin zu einem Gespräch in die Ausländerbehörde eingeladen. Vor dem Termin lasse ich mich von meinen deutschen Freunden in puncto Deutschsein beraten. Der erste Ratschlag lautet: Bei der Begrüßung soll ich dem Sachbearbeiter festen Handschlag geben und mitteilen, dass ich zum Mittag Eisbein mit Sauerkraut gegessen habe. Als nächstes sollte ich übers Wetter meckern. "Meckern, egal über was, ist typisch deutsch“, heißt es. Klingt nicht so schwer.
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Deutscher Spargel a-la Belarus: Mit Bratkartoffeln. |
Von dieser Prüfung habe ich bereits gehört: Da sind mehr als 300 Fragen und einen Termin bekommt man erst in mehreren Wochen. Ich möchte mir den Aufwand sparen und hole eine dicke Mappe aus der Tasche heraus. Darin sind alle Zeugnisse, Bescheinigungen und Urkunden abgeheftet, die ich in den acht Jahren gesammelt habe. Ich zeige dem Sachbearbeiter das Zeugnis über die Teilnahme an der Vorlesung "Politisches System der BRD", den Schein in "Landeskunde" und Nachweise über mehrere Stipendien. Der Beamte ist unbeeindruckt: "Haben sie Germanistik studiert? Ausnahmen sind aber nur für die Politikwissenschaftler möglich."

Das heißt, ich bin ohne die schriftliche Prüfung für integriert genug befunden worden. Ich bekomme eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis! "Aber nur weil Sie Ihre Unterlagen so ordentlich abgeheftet haben!" sagt der Beamte und wünscht mir einen schönen Tag. „Ihnen auch. Trotz des schlimmen Regens“, meckere ich zum Schluss.
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