Dienstag, 25. Dezember 2012

Mein (kein) deutsches Weihnachten

Ich kann mich sehr gut an mein erstes Weihnachten in Deutschland erinnern. Es war 2006, ich war als Austauschstudentin in Dortmund. Am Anfang war ich begeistert: Den Duft der gebrannten Mandeln, die bunten Glühweintassen und die ganze Weihnachtsbeleuchtung fand ich einfach toll. Doch kurz vorm Heiligabend schlossen die Weihnachtsmärkte, auch die normalen Supermärke, die Straßen und mein Studentenwohnheim wurden leer. Ich stellte mich auf drei langweilige Tage ein.

Der Weihnachtsmarkt in Dortmund, 2006

Doch bereits am ersten Weihnachtstag kam die erste Überraschung: Es klopfte an meiner Tür. Ich öffnete sie. In mein Zimmer raste ein Reporter vom Campus Radio. Er machte eine Live-Reportage über die Leute, die Weihnachten nicht feiern. Der Reporter fragte mich, ob ich nicht traurig bin, und steckte mir das Mirko vor die Nase. „Nein, bin ich nicht. Wieso denn auch?“ sagte ich. "Naja, damit du nicht so traurig bist, schenken wir dir ein paar CDs", rief er ins Mikro und lief dabei hin und her in meinem Zimmer. Dann wünschte er mir schöne Feiertage und verschwand. In meinem Zimmer wurde plötzlich ganz still. Auf dem Tisch lagen die nagelneuen CDs mit der Campus Radio-Musik.

Am zweiten Weihnachtstag hatte ich einen Besuch: Eine Studienkollegin aus St. Petersburg, die gerade ein Austauschsemester in Leipzig machte und genauso wie ich nicht wusste, was sie mit den freien Tagen anfangen soll. Wir wollten eine neue Stadt erkunden und fuhren nach Essen. Wir stiegen in den leeren Zug ein, dann spazierten wir durch den leeren Park und aßen Burger im leeren Schnellrestaurant. Der Wind fegte bunte Weihnachtsdeko durch die leeren Straßen. Essen ist eine komische Geisterstadt, entschieden wir. (Was allerdings keineswegs an Essen lag, sondern an Weihnachten, wie ich später feststellen durfte.)

Weinachten 2006 in Essen: Enten füttern im menschenleeren Park
Trotzdem mag ich Weihnachten in Deutschland. Weil ich an diesen Tagen definitiv einen Platz im Zug habe. Weil ich auf der Arbeit einen Feiertagszuschlag samt einer Tüte Süßigkeiten vom Intendanten bekomme. Weil ich am Hauptbahnhof komische Menschen treffe, zum Beispiel eine obdachlose Frau, die mir besinnliche Weihnachten wünscht und einen Schokoriegel schenkt. Weil wenige Minuten später eine andere Obdachlose mich um Geld bietet und ich ihr den größten  Lebkuchen aus der Intendanten-Tüte schenke.


Ich freue mich über alle sms, E-Mails und Postkarten, die ich bekomme. Na gut: über fast alle. Denn eine Stunde lang bei der Post anzustehen, um ein Päckchen von der mir kaum bekannten Firma zu bekommen, ist nicht so prickelnd. Wenn ich das Päckchen zuhause auspacke und dort einen dämlichen angeberischen Kalender finde, dann ärgere ich mich richtig. Aber nicht lange. Denn das Beste kommt erst noch, in zwei Wochen: Weihnachten. Mit Familie, Tannenbaum und Festessen.

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