Freitag, 8. Mai 2015

Besuch im Kriegsmuseum in Minsk

Kurz vor dem 70. Jubiläum des Sieges im Zweiten Weltkrieg erinnert alles in Belarus an das große Ereignis: Straßenplakate, Fernsehspots, Lebensmittelverpackungen, Lottoscheine und sogar Einkaufstüten. Wenn gerade keine Panzer durch "Die Straße der Sieger" (Praspekt Peramoschzau) in Minsk rollen und die große Militärparade üben, wird sie ständig geputzt.


Das neue Museum der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges ist zu einem Mekka für Schüler, Familien, Rentner und russische Touristen geworden. Als ich es besucht habe, ist eine Gruppe von Soldaten hineinmarschiert.


Das Museum wurde letztes Jahr von den Präsidenten Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin persönlich eröffnet. Ein großer Flachbildschirm in der Eingangshalle zeigt die Bilder von der Eröffnung.
Der Souvenirladen des Museums


Besonders beliebt bei den Besuchern ist die Halle mit der Kriegstechnik. Viele Familien bleiben hier etwas länger. Kinder spielen Krieg. Mütter machen Selfies vor den Wachsfiguren. Väter erklären ihren Töchtern sowjetische Waffen.



Im Museum gibt es viele Flachbildschirme und andere moderne Elemente, wie zum Beispiel die Projektion des Filmes über die Brester Festung.


Mich beeindrucken am meisten die kleinen echten Gegenstände aus dem Krieg. Zum Beispiel eine selbst gemachte Stoffpuppe aus einem Kinderheim. Sie erinnert mich an meine Kindheit. Meine Oma Anja, die auf dem Land lebte und den Krieg als Kind erlebte, machte mir eine ähnliche. Ich mochte sie. Die Puppe hatte zwar kein echtes Gesicht, dafür war sie ganz weich und kuschelig.
"Dem tapferen Kämpfer von Tanja"

Mulmiges Gefühl bekomme ich beim Betrachten der Metalltrage, auf der die Asche der im Ofen verbrannten Menschen auf den Feld in Trostenez getragen wurde. Sie wurde als Düngemittel verwendet.

Trostenez war das größte NS-Lager auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion. Es liegt am Stadtrand von Minsk.

An der Wand sind Baracken und graue Menschenfiguren gezeichnet. Davor steht ein Gitter.  Drüber hängt ein Schild: "Zutritt zum Lager verboten. Es wird ohne Anruf geschossen." Soldaten machen ein Foto vor der Wand.


Das Museum hat 10 Räume. Meine Zeit reicht leider nicht, um alles in Ruhe zu betrachten. Den letzten Raum möchte ich aber unbedingt sehen - der Saal des Sieges. Ich bin überrascht: Es ist eine gläserne Kuppel. Es gibt keine Exponate.


Die Idee des Architekten scheint klar: Den Sieg als etwas Großes, Heiliges, in den Himmel Ragendes darzustellen. Ich fühle mich wie in einer Kirche. Die Staatsfahne anstelle des Altars. An der Wand steht: "Die Heldentat des Volkes soll ewig leben."

Irgendetwas stört mich. Ist es die rote sowjetische Fahne, die draußen auf der Kuppel weht? Ist es der Marmorboden, der kalt und ungemütlich wirkt? Lebe ich zu lange im Westen und verstehe die Ästhetik der Heimat nicht mehr? Oder stört mich, wie unsere Geschichte durch die Staatsideologie instrumentalisiert wird? Ich verlasse das Museum mit gemischten Gefühlen.

P. S. Mein zehnjähriger Neffe war vor kurzem auf der Klassenfahrt im Kriegsmuseum. Die Schüler sind um 6 Uhr morgens von unserer Kleinstadt nach Minsk gefahren. Acht Stunden Busfahrt haben sie auf sich genommen, um das Museum zu sehen. Ich frage ihn, was ihm am meisten gefallen hat. "Panzer", sagt er. Nach ein paar Sekunden: "Doch nicht! Die Mittagspause in McDonald's."

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